Magdalena Strauch über ihre Arbeit bei Teach For Austria

Magdalena Strauch ist seit über zehn Jahren Teil von Teach For Austria. Sie begann 2014 mit einem Praktikum, war Selection Managerin, Head of Recruitment & Selection und hat dann 2021 als TFA Fellow selbst das zweijährige Social Leadership Programm absolviert und an einer Mittelschule mit Jugendlichen aus sozioökonomisch benachteiligten Familien gearbeitet. Heute leitet sie das Team Public und Community Affairs.

TFA: Liebe Maggie, wie bist Du das erste Mal auf TFA aufmerksam geworden und warum hast Du Dich damals 2014 für ein Praktikum bei TFA beworben?


MS: Meine Eltern haben mich auf einen Zeitungsartikel über Teach For Austria aufmerksam gemacht. Damals war ich noch im Bachelorstudium und habe mich in verschiedenen Studierendenorganisationen engagiert. Ich habe Konferenzen organisiert und immer nach spannenden Workshops gesucht. So lernte ich Teach For Austria direkt kennen. Über verschiedene Veranstaltungen sind wir in Kontakt geblieben, und ich habe die Organisation gut kennengelernt. Schon beim ersten Kontakt hat mich die Vision begeistert und ich wusste: “Nach dem Bachelor werde ich bestimmt Fellow.”

Doch wie so oft ist es dann anders gekommen. Nach meinem Abschluss bin ich für ein Praktikum nach Brüssel gegangen und habe mich nicht als Fellow bewerben können. Zu meiner Begeisterung hat es aber ein Praktikum im Recruitment gegeben. Die Vision war die gleiche, und die Arbeit hat mich sehr angesprochen. Also habe ich mich beworben und im September 2014 bei Teach For Austria zu arbeiten begonnen.

Zur Person

Magdalena Strauch ist seit über 10 Jahren Teil von Teach For Austria. Sie hat 2014 als Intern begonnen, war Selection Managerin, Head of Recruitment & Selection und hat dann 2021 als TFA Fellow selbst das zweijährige Social Leadership Programm absolviert und an einer Mittelschule mit Jugendlichen aus sozioökonomisch benachteiligten Familien gearbeitet. Sie hat einen Bachelor in Internationaler Entwicklung und einen Master in Führung, Politik und Management absolviert. Jetzt ist sie als Head of Public & Community Affairs für öffentliche und private Kooperationen verantwortlich.

"wir [bei TFA] sehen die Dringlichkeit unserer Arbeit. Wir bewirken direkt Veränderung und haben hohe Ansprüche. Es macht unglaublich viel Spaß so zu arbeiten."

Magdalena Strauch, TFA Alumna und Leitung Public & Community Affairs

Du hast dann verschiedenste Positionen bei TFA durchlaufen. 
Du warst beispielsweise für die Auswahl der geeigneten Kandidat:innen für das Social Leadership Programm zuständig und bist jetzt insgesamt zehn Jahre Teil von TFA. Da ist es eher die Ausnahme in der heutigen Zeit, dass Personen so lange bei einem Arbeitgeber bleiben. Welche Gründe hat das bei Dir, dass Du eine der längsten Mitarbeiter:innen von TFA bist?
 

Stimmt, das ist ungewöhnlich – vor allem für mich. Ich brauche Abwechslung und neue Herausforderungen. Wenn ich das nicht mehr habe, dann verändere ich mich. Deshalb überrascht es mich manchmal selbst, dass ich schon so lange bei TFA bin. Das liegt an unterschiedlichen Gründen.
Selbst in einem Land wie Österreich haben nicht alle Kinder die gleichen Chancen. Unsere Vision, dass JEDES Kind die Chance auf ein gutes Leben hat, gibt mir nach wie vor jeden Tag Energie. 

Aber es ist natürlich nicht nur die Vision. Ich habe immer Neues ausprobiert – ob in der Auswahl, im Recruiting oder bei strategischen Projekten. So konnte und kann ich wachsen, mich verändern und die Organisation auf unterschiedlichen Ebenen mitgestalten. Und ich arbeite mit großartigen Leuten mit tollen Fähigkeiten zusammen. Ich lerne immer noch jeden Tag etwas Neues. Dazu kommt: Wir reden nicht nur, wir setzen um. Denn wir sehen die Dringlichkeit unserer Arbeit. Wir bewirken direkt Veränderung und haben hohe Ansprüche. Es macht unglaublich viel Spaß so zu arbeiten.

Magdalena hat 2021 das Social Leadership Programm absolviert

Warum hast Du Dich 2021 entschieden, Dich selbst für das zweijährige Social Leadership Programm von TFA zu bewerben? Und wie ist die Bewerbung für Dich abgelaufen, als ehemalige Verantwortliche für den Bewerbungsprozess?
 

Der Gedanke, selbst Fellow zu werden, hat mich nie losgelassen. Mein Job bei TFA hat mich immer begeistert, aber je mehr ich andere für das Programm inspiriert habe, desto mehr hat es mich selbst gereizt. Und dann kam Corona. Mir wurde klar: Jetzt wird die Schere noch größer. Ich wollte direkt mit den Kindern arbeiten und etwas verändern. Außerdem habe ich als Jugendliche viel mit benachteiligten Kindern und Jugendlichen gearbeitet, was mir immer viel Spaß gemacht hat. 

Dank unseres internationalen Netzwerks TFAll konnte ich das Assessment Center in einem anderen Land absolvieren – in meinem Fall bei Teach First Deutschland. Das war spannend, weil ich als Kandidatin selbst aufgeregt war und gleichzeitig als Head of Recruitment & Selection neugierig auf den Prozess in Deutschland. Und das alles online in meinem Arbeitszimmer.

"meine breit gefächerten Studien haben mir geholfen, mich schnell in neue Themen einzuarbeiten und flexibel zu bleiben."

Magdalena Strauch, TFA Alumna und Leitung Public & Community Affairs

Was genau hast Du vor dem Programm studiert und welche Fächer hast Du an der Mittelschule unterrichtet? Wie hat Dich Dein Studien-Background als Fellow in der Mittelschule geprägt?
 

Ich habe einen Bachelor in Internationaler Entwicklung und einen Master in Führung, Politik und Management. In den zwei Jahren habe ich viele verschiedene Fächer unterrichtet: Mathematik, Geometrisch Zeichnen, Bildnerische Erziehung, Biologie, Geografie und Wirtschaftskunde, Lerncoaching und Freiarbeit.

Einige Fächer kannte ich aus meinem Studium – Mathematik oder Geografie zum Beispiel. Andere, wie Geometrisch Zeichnen, waren völlig neu für mich. Das Fach habe ich nicht einmal als Schülerin gehabt. Aber meine breit gefächerten Studien haben mir geholfen, mich schnell in neue Themen einzuarbeiten und flexibel zu bleiben. Das hat mir im Unterricht sehr geholfen.

Was waren Deine größten Herausforderungen im Social Leadership Programm und was hast Du dabei gelernt?
 

Eine der größten Herausforderungen war die Differenzierung: Meine Schüler:innen waren auf sehr unterschiedlichen sprachlichen und fachlichen Niveaus. Alle gleichermaßen abzuholen und mitzunehmen, war eine anspruchsvolle Aufgabe. Zusätzlich waren einige durch ihre bisherigen schulischen Erfahrungen und ihr Umfeld bereits sehr frustriert und demotiviert. Sie wieder zu motivieren, ihnen zu zeigen, dass es sich lohnt, dranzubleiben – gerade wenn es schwierig wird –, war immer wieder eine große Herausforderung.

Ich habe gelernt, genau hinzusehen und nachzufragen: Warum stört ein Kind den Unterricht? Oft steckt dahinter nicht der Wunsch zu provozieren, sondern echte Herausforderungen – sei es, dass der Unterricht zu schnell ist, die Konzentration fehlt oder Frustration nicht konstruktiv geäußert werden kann. Hier geht es darum, dranzubleiben und gemeinsam mit den Kindern Strategien zu entwickeln, um ihre Lernprozesse zu verbessern.

Ein weiteres wichtiges Learning war die Zusammenarbeit mit Kolleg:innen. Ich hatte das Glück, mit vielen inspirierenden Menschen zu arbeiten, habe aber auch erlebt, dass Teamwork nicht immer funktioniert. Gerade in herausfordernden Klassen wäre es essenziell gewesen, an einem Strang zu ziehen – doch nicht alle haben sich an Absprachen gehalten. Hier habe ich ebenfalls nach den Hintergründen gefragt: Warum verhalten sich manche Menschen so? Welche Beweggründe, Werte und Interessen haben diese Personen? Durch die Leadership-Tools, die wir im Social Leadership Programm nutzen, habe ich analysiert, wer meine Verbündeten sind, wer skeptisch ist und wo sich der Einsatz (noch) nicht lohnt. Diese strategische Herangehensweise hilft mir bis heute in meiner Arbeit.

"Ich besuche meine früheren Schüler:innen immer noch an meiner alten Schule. Es ist berührend zu sehen, wie sehr sie gewachsen sind und was sie gelernt haben – meine damaligen Erstklässler:innen sind inzwischen schon in der dritten Klasse!"

Magdalena Strauch, TFA Alumna und Leitung Public & Community Affairs

Inwiefern hast Du von der 12-wöchigen Sommerakademie als Vorbereitung und dem regelmäßigen individuellen Coaching durch Deine:n Trainer:in profitiert?
 

Die Sommerakademie war eine intensive und praxisnahe Vorbereitung auf den Schulstart. Besonders wertvoll waren die Unterrichtstechniken und die enge Begleitung beim Unterrichten im Sommer. Die Leadership-Tools und die Community mit den anderen Fellows haben mir geholfen, mich sicherer zu fühlen.

Während der zwei Jahre hat mich meine Trainerin unterstützt – sowohl im Unterricht mit konkreten Tipps zur Unterrichtsgestaltung als auch in Leadership-Check-ins, in denen wir Herausforderungen reflektiert und analysiert haben. Sie war immer ansprechbar, wenn es Probleme gegeben hat. Besonders wichtig war aber auch die Community: Der Austausch mit anderen Fellows – sowohl aus meinem eigenen als auch aus früheren Jahrgängen – war enorm hilfreich. Tipps, Tricks und gegenseitige Unterstützung haben einen großen Unterschied gemacht.

Worauf warst Du als Lehrkraft besonders stolz? Erzähle uns gerne Erfolgsgeschichten von Deinen Schüler:innen. Wie hatte Dein Wirken Impact? Hast Du noch Kontakt zu Deinen Schüler:innen?
 

Besonders stolz bin ich auf die Entwicklung meiner herausforderndsten Klasse. Viele meiner Kolleg:innen wollten mit den Schüler:innen nicht mehr arbeiten, da sie bereits sehr frustriert und demotiviert waren. Einige Schüler:innen waren auch respektlos und haben den Unterricht oft gestört. Viele der Schüler:innen haben in ihrem Leben - sowohl in der Schule als auch außerhalb - immer wieder Ablehnung erfahren. Aufgrund ihres Verhaltens wurden Ausflüge oft abgesagt. Mir war es wichtig, Schule mit ihnen als positiven Raum zu gestalten und auf Erfolge und Gelungenes zu schauen. Gemeinsam mit einer Kollegin habe ich intensiv mit der Klasse gearbeitet. Mit den Schüler:innen haben wir klare Regeln und Konsequenzen erarbeitet. Und wir haben auch Belohnungen eingeführt – kleine Auszeiten, Spiele für die Klasse oder die Möglichkeit, hinauszugehen –, damit Erfolge sichtbar und spürbar werden. Am Anfang war es auch für uns eine unglaubliche Kraftanstrengung. Doch langsam haben sich die ersten Veränderungen gezeigt. Sowohl im Verhalten der Schüler:innen als auch in ihrem Lernfortschritt. Auf einmal waren im Unterricht mehr Hände in der Luft - die Schüler:innen haben aufgezeigt und mitgearbeitet. Sie haben sich gegenseitig mehr unterstützt und der Umgang in der Klasse wurde respektvoller. Einige haben sich auch getraut, Fehler zu machen und Dinge auszuprobieren. Der größte Erfolg war nicht nur der fachliche Fortschritt, sondern auch die Veränderung in ihrem Verhalten. Wir konnten nach und nach besser zusammenarbeiten.

Ein anderer Erfolg war die gemeinsame Arbeit in der Integrationsklasse. Im Schulalltag lernen Integrationskinder oft getrennt vom Rest der Klasse. Meiner Kollegin und mir war es wichtig, dass beim Einstieg in ein neues Thema alle Kinder gemeinsam lernen und erst in der Folge je nach Niveau differenziert wird. Eine Stunde, an die ich mich noch immer gerne erinnere, war die Einführung des Koordinatensystems in Mathematik: Wir haben gemeinsam ein großes Modell im Turnsaal aufgebaut und praktische Übungen gemacht. Am nächsten Tag konnten die Schüler:innen sogar die schwierigeren Aufgaben im Unterricht lösen – und haben sich das Wissen langfristig gemerkt.

Ich erinnere mich auch an einen Schüler, der zu Beginn zu den Schwächsten in Mathe gehört und den Unterricht oft gestört hat. Ich habe ihn immer wieder ermutigt, motiviert und bestärkt. Nach einiger Zeit wollte er sich aus eigenem Antrieb verbessern und hat freiwillig den Förderkurs besucht. Dort hat er sogar anderen Schüler:innen Inhalte erklärt. Seine Noten und sein Selbstbewusstsein haben sich dadurch stark verbessert und er war auf einem guten Weg, um in eine weiterführende Schule zu gehen. .

Ich besuche meine früheren Schüler:innen immer noch an meiner alten Schule. Es ist berührend zu sehen, wie sehr sie gewachsen sind und was sie gelernt haben – meine damaligen Erstklässler:innen sind inzwischen schon in der dritten Klasse!

"Wir alle teilen eine gemeinsame Vision – auch wenn wir an unterschiedlichen Stellen daran arbeiten. Das schafft eine starke Verbindung."

Magdalena Strauch, TFA Alumna und Leitung Public & Community Affairs

Wie nutzt Du das Netzwerk von Teach For Austria? Was ist das Besondere an der TFA Community und der internationalen Teach For All Community?
 

Das Netzwerk nutze ich sehr aktiv, um mich zu vernetzen, Fragen zu stellen, zu lernen und mich auszutauschen. Was ich besonders schätze: wirklich jede Person ist ansprechbar. Wir alle teilen eine gemeinsame Vision – auch wenn wir an unterschiedlichen Stellen daran arbeiten. Das schafft eine starke Verbindung. Egal, ob es um fachliche oder strategische Fragen geht: Man kann immer jemanden kontaktieren und bekommt Unterstützung.

Was würdest Du einer Person raten, die gerade mit dem Gedanken spielt, zwei Jahre das Social Leadership Programm von Teach For Austria zu machen?
 

Einfach machen! Es ist die herausforderndste, aber auch bereicherndste Erfahrung, die ich gemacht habe. Natürlich sollte man sich gut überlegen, ob die Tätigkeit und das Programm zu einem passt – aber es gibt genug Möglichkeiten, Teach For Austria kennenzulernen: durch Veranstaltungen, den Austausch mit Fellows oder Kolleg:innen im Team. Wer sich darauf einlässt, kann unglaublich viel lernen und bewirken.

Und noch als Abschluss: Was bedeutet Leadership persönlich für Dich? Erzähle uns gerne von drei Beispielen, in denen Du während der letzten zehn Jahre Leadership bei TFA bewiesen hast.
 

Für mich bedeutet Leadership, Verantwortung zu übernehmen, um etwas zu verändern – nicht wegzusehen, sondern proaktiv zu handeln. Es bedeutet auch, die richtigen Leute zu involvieren und gemeinsam etwas zu bewegen.

  1. In der Schule: Ich habe mich für meine herausfordernde Klasse eingesetzt und bin selbst in schwierigen Zeiten drangeblieben. Ich habe auch versucht, Kolleg:innen ins Boot zu holen, um gemeinsam Veränderung zu bewirken.
  2. Im Recruitment: Gemeinsam mit meinem Team habe ich den ersten „Ready“-Jahrgang (unsere Fellows im Kindergarten) rekrutiert und dafür Verantwortung übernommen, dass wir einen starken Pionier:innenjahrgang an Kindergärten schicken. 
  3. In der Bildungsnachbarschaft Favoriten: Gemeinsam mit meinem Team haben wir die Idee der Bildungsnachbarschaft in die Tat umgesetzt und sind gerade dabei, diese nachhaltig zu etablieren. Bildungseinrichtungen sollen zu lebendigen Zentren der Nachbarschaft werden, in der unterschiedliche Akteur:innen gemeinsam Verantwortung für das Lernen der Kinder übernehmen. 

Leadership zeigt sich für mich nicht nur in Visionen, sondern vor allem in Ergebnissen. Wenn wir wirklich etwas für Kinder verändern wollen, müssen wir ins Handeln kommen – gezielt, mutig und mit Fokus auf das, was Wirkung hat.

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