Der beste Job der Welt
Raphaela Friedl, Fellow 20', beendet ihre Arbeit in der Schule und zieht Resümee.
Vor genau 4 Jahren wurde ich von der ehemaligen Direktorin angerufen und gefragt, ob ich mit einem kleinen Team den Campus mit aufbauen möchte. Wow, was für ein Privileg als Quereinsteigerin, TFA Fellow und komplette Anfängerin eine Schule neu aufzubauen. Natürlich hab ich bejaht und hatte gleichzeitig großen Bammel vor dieser Verantwortung. Zu 8 und mit 3 Klassen startete die Reise einer Campusschule in Wien und meine Reise als Lehrkraft. Es war eine ganz besondere Reise.
Ohne meiner Kollegin, mit der ich gemeinsam die 4B begleiten durfte, hätte ich nicht einmal das erste Jahr überlebt. Oft wird der Beruf als ‚Einzelkämpfer‘-Beruf beschrieben, aber genau das Gegenteil ist der Fall. Ohne dem Team, dem Rückhalt und dem Zusammenhalt wäre vieles nicht möglich gewesen.
In diesen 4 Jahren bin ich oft an meine Grenzen gestoßen. Das System lässt vieles nicht zu, überfordert und bringt einen zum Verzweifeln. Zusätzlich übernimmt man als Lehrkraft nicht nur die Rolle der Lehrerin bzw. des Lehrers. Man findet sich oft in der Rolle der Projektleitung, der Führungskraft, der beste Freundin, der Dekorateurin, des Sozialarbeiters, der Eventmanagerin, des Coach, der Psychologin … wieder. Diese Arbeit wird in unserer Gesellschaft oft nicht gesehen. Lehrkräfte werden unterschätzt. Ich habe in diesen 4 Jahren viele Kolleg:innen kennengelernt, die einen hervorragenden und beeindruckenden Job machen und genau das sollte endlich gesehen, anerkannt und honoriert werden.
4 Jahre Lehrerin und Co-KV. 4 Jahre Einzelgespräche führen und Konflikte lösen. 4 Jahre täglich mit Emotionen umgehen und sie auffangen. 4 Jahre die tollsten Menschen beim Wachsen begleiten. 4 Jahre den besten Job der Welt machen. Nach 4 Jahren geht diese Reise zu Ende. Diese vier Jahre als Lehrerin mit Verantwortung für eine gesamte Klasse haben viel mit mir gemacht. Ich habe viel gelernt, bin gescheitert und gewachsen.
Eine Klasse zu begleiten, für sie da zu sein, mit ihnen Zeit zu verbringen, sie mit ihren Sorgen und Ängste nicht alleine zu lassen, mit ihnen ihre Erfolge zu feiern und ihnen beim Wachsen zuzusehen, ist das aller Schönste an diesem Beruf.
„Raphi, du tust dir was an, wieso ausgerechnet an eine Mittelschule? Da geht’s ja zu!“ - solche und so ähnliche Rückmeldungen bekam ich während meiner 4 Jahre an der Mittelschule. Leider! Denn ich kann eines sagen: die Kinder, die ich kennenlernen durfte sind einzigartig, leistungsstark, herzensgut und ganz besonders! Ich hoffe, wir hören endlich auf sie abzustempeln und mit Vorurteilen Politik zu machen!
Das waren 4 Jahre mit großartigen Erlebnissen, einer steilen Lernkurve, vielen Tiefen und verzweifelten Momenten, aber immer mit besonderen Menschen. Ich könnte nicht stolzer auf ‚meine’ Kids sein und bin gespannt, was die Zukunft für sie bereithält. Auch für mich geht’s spannend weiter, aber zuerst muss ich diesen Abschied verdauen, denn es war einfach großartig!