Sali Attia über Beziehungsaufbau und Identifikation
Sali Attia arbeitete als Teach For Austria Fellow für zwei Jahre an einer Mittelschule und unterrichtet weiterhin Englisch und Geographie. Sie hat auch die Trainer:innen-Ausbildung bei TFA erfolgreich absolviert, um anderen Lehrpersonen eine Unterstützung sein zu können. Im Interview spricht sie darüber, wie wichtig Beziehungsaufbau mit den Schüler:innen ist und wie sie durch ihre Vorbildrolle Veränderung schafft.
TFA: Liebe Sali, Wo hast Du das erste Mal von Teach For Austria gehört und warum hast Du Dich damals entschieden, Dich zu bewerben?
SA: Ich habe zum ersten Mal von Teach For Austria während meines Studiums gehört. Mich hat die Vision sofort angesprochen, weil ich selbst erlebt habe, was es heißt, wenn Herkunft über Zukunft entscheidet. Ich wollte konkret etwas verändern – nicht nur theoretisch über Bildungsungleichheit sprechen, sondern wirklich an den Orten wirken, wo Kinder und Jugendliche Begleitung brauchen.
Was waren Deine größten Herausforderungen an der Mittelschule und was hast Du gelernt?
Ich bin besonders stolz auf die Beziehungen, die ich aufbauen konnte. Eine Schülerin, die kaum sprach, hat am Ende ihrer Schulzeit vor der Klasse eine Präsentation gehalten. Viele meiner Schüler:innen haben mir später geschrieben, dass sie sich durch mich gesehen und verstanden fühlten – das ist unbezahlbar.
Zur Person
Sali Attia hat Politikwissenschaften an der Universität Wien studiert. Sie war TFA Fellow 2022 und ist als Alumna weiterhin Lehrerin, Trainerin und Aktivistin im Bildungsbereich. Sie setzt sich insbesondere für chancengerechte Bildung, Antidiskriminierung und Empowerment junger Menschen ein.
"Mein Hintergrund hat mir geholfen, reflektiert mit sozialen Ungleichheiten umzugehen und meine pädagogische Haltung ständig zu hinterfragen und weiterzuentwickeln."
Was machst Du jetzt beruflich?
Ich arbeite weiterhin als Lehrerin, bilde mich laufend weiter und bin auch außerhalb der Schule bildungspolitisch aktiv. Ich engagiere mich für mehr Sichtbarkeit und Mitbestimmung marginalisierter Gruppen im Bildungsbereich.
"Ich [habe] gelernt, wie viel Kraft in Beziehungen liegt: Wenn man Schüler:innen ernst nimmt, ihnen zuhört und Vertrauen schenkt, entsteht unglaublich viel."
Wärst Du ohne TFA denselben Weg gegangen?
Vermutlich nicht. Teach For Austria hat mir ein Netzwerk, Werkzeuge und eine neue Perspektive gegeben. Ich habe gelernt, wie wichtig systemisches Denken ist – und dass Veränderung Zeit, Mut und Allianzen braucht.
Wie profitierst Du heute vom Social Leadership Programm?
Ich profitiere täglich – in meiner Haltung, meinem Selbstverständnis als Führungskraft im Bildungssystem und durch den Rückhalt im Netzwerk.
Wie nutzt Du das TFA Netzwerk und was macht es besonders?
Eine der größten Herausforderungen war es, mit systemischen Hürden umzugehen – von mangelnden Ressourcen bis hin zu struktureller Diskriminierung. Gleichzeitig habe ich gelernt, wie viel Kraft in Beziehungen liegt: Wenn man Schüler:innen ernst nimmt, ihnen zuhört und Vertrauen schenkt, entsteht unglaublich viel.
Was hast Du vorher studiert und unterrichtet, und wie hat das deinen Fellow-Einsatz geprägt?
Ich habe Politikwissenschaften und Internationale Entwicklung studiert und davor bereits in elementarpädagogischen Einrichtungen gearbeitet. Ich unterrichtete Englisch und Geographie. Mein Hintergrund hat mir geholfen, reflektiert mit sozialen Ungleichheiten umzugehen und meine pädagogische Haltung ständig zu hinterfragen und weiterzuentwickeln.
Wie hast Du von der TFA Sommerakademie und dem Coaching während des Social Leadership Programms profitiert?
Die Sommerakademie war intensiv, aber auch eine unglaublich wertvolle Vorbereitung. Besonders das individuelle Coaching hat mir geholfen, Krisen durchzustehen, meine Praxis zu reflektieren und mich als Führungspersönlichkeit im Klassenzimmer zu stärken. Aufgrund des tollen Coachings, habe ich auch die Trainer:innen-Ausbildung bei TFA erfolgreich absolviert, um anderen Lehrpersonen eine Unterstützung sein zu können.
"Leadership bedeutet für mich, Verantwortung zu übernehmen, Räume zu öffnen, in denen andere wachsen können, und auch dann Haltung zu zeigen, wenn es unbequem wird."
Worauf warst Du besonders stolz? Möchtest Du eine Erfolgsgeschichte teilen?
Ich war besonders stolz darauf, dass ich trotz der großen familiären Verantwortung mit fünf eigenen Kindern meine Aufgaben als Lehrkraft mit vollem Einsatz übernommen habe. Es war nicht immer einfach, alles unter einen Hut zu bringen – aber ich habe von Anfang an klar kommuniziert, dass ich die Verantwortung gegenüber meinen Schüler:innen genauso ernst nehme wie die gegenüber meiner eigenen Familie. Besonders berührt hat mich, dass viele Schüler:innen durch meine Verlässlichkeit und mein Engagement Vertrauen aufgebaut haben, sich weiterentwickeln konnten und in mir eine echte Bezugsperson gesehen haben. Das sind für mich echte Erfolgsgeschichten.
Was sind Deine Pläne für die Zukunft?
Ich möchte weiterhin im Bildungsbereich gestalten – als Lehrerin, aber auch über die Schule hinaus. Mein langfristiges Ziel ist es, an strukturellen Veränderungen mitzuarbeiten, die Bildung gerechter machen.
Was würdest Du jemandem raten, der das Programm machen möchte?
Mach es – aber sei dir bewusst: Es wird herausfordernd, emotional und transformierend. Du brauchst Mut, Reflexion und Ausdauer. Aber es lohnt sich.
Was bedeutet Leadership für Dich?
Leadership bedeutet für mich, Verantwortung zu übernehmen, Räume zu öffnen, in denen andere wachsen können, und auch dann Haltung zu zeigen, wenn es unbequem wird. Es ist der Mut zur Veränderung – und zur Menschlichkeit.
"Mein langfristiges Ziel ist es, an strukturellen Veränderungen mitzuarbeiten, die Bildung gerechter machen."
November 2025